Das Management in Deutschland erlebt Hochkonjunktur. Ob es sich um solch hochtrabende Berufsbezeichnungen wie Facility und Community Management oder eher um umständliche Benennungen wie Non Profit Manager (Ehrenamtler) handelt: Wir haben uns bereits daran gewöhnt, unser berufliches Vokabular als Global Player mehr und mehr international auszurichten. Das betrifft auch die Infrastrukturbranche.Meine berufliche Leidenschaft gilt der Managementberatung im technischen Umfeld. Als Unternehmensgründer, Berater und Coach schaffe ich effiziente und lebendige Unternehmensstrukturen für die Betreiber technischer Anlagen und Infrastruktur. Hier treffen Management und Infrastruktur aufeinander – und sorgen als Kompositum Infrastrukturmanagement für Verwirrung, sogar für eine falsche Auslegung des Begriffs, der häufig in seiner Tragweite nicht richtig erfasst wird. Denn die Verbindung dieser beiden an sich sehr unklaren Begriffe verschleiert die Tatsache, dass es sich um eine sehr konkrete, mit Leben gefüllte Aufgabe handelt, die eine umfassende Herausforderung für die Verantwortlichen mit sich bringt.
Infrastrukturmanagement – was ist das?
Zur Erschließung des Begriffs schauen wir uns doch erst die Wörter im Einzelnen an: Die Infrastruktur bezeichnet physische Bauten wie Energie-, Wasser- und Kommunikationsnetze sowie Verkehrswege und -bauten. Ihre Kennzeichen sind hohe Investitions- und Instandhaltungskosten, räumliche Immobilität, lange Lebensdauer und oftmals die staatliche Regulierung. Das Management ist hier funktional, umfassend und im Sinne einer Unternehmensleitung zu verstehen. Wir sprechen hier also nicht von Risikomanagement, noch von Kreditorenmanagement, sondern meinen alle Aufgaben einer professionellen Unternehmensführung.
Die Angelsachsen bezeichnen das Infrastrukturmanagement übrigens als „Asset Management“ – ein dort feststehender Begriff. Demnach treffen sich in Großbritannien beispielsweise „Infrastructure oder Asset Experts“ aus allen Industrien – egal ob Manager von Flughäfen, von Kraftwerken oder Betreiber von Schienen oder Wassernetzen – und diskutieren über Methoden zur Professionalisierung ihres Geschäfts.
Infrastrukturmanagement – warum braucht man das?
Die bereits genannten Kennzeichen von Infrastruktur wie hohe Investitions- und Instandhaltungskosten, räumliche Immobilität und lange Lebensdauer setzen eine weitreichende Planung, häufig die staatliche Regulierung und eine umfassende Expertise voraus. Schlechte Entscheidungen bei Investitionen oder bei der Instandhaltung können nur mit erheblichen Mehrkosten korrigiert werden. Das Infrastrukturmanagement ist daher ein sehr komplexer und spezifischer Arbeitsbereich, der besondere Methoden verlangt.
Eine übergeordnete Rolle spielen dabei Entscheidungsprozesse in der Infrastrukturbranche. Entscheidungen basieren letztendlich immer auf Logik und einem zugrundeliegenden Wertegerüst, das sich aus den Ansprüchen der verschiedenen Interessensvertreter oder Koalitionäre (angelsächsisch „Stakeholder“) ergibt. Im Falle von Infrastrukturprojekten sitzen jedoch meistens viele verschiedene Stakeholder an einem gemeinsamen Tisch, die jeweils ihre Interessen bzw. ihre Werte vertreten und durchsetzen möchten. Umso komplizierter ist deshalb die Entscheidungsfindung. Das Infrastrukturunternehmen muss sicherstellen, dass genau diese Interessen in allen Entscheidungen berücksichtigt werden – egal ob dies die Planung von Infrastruktur durch ein Planungsbüro oder die Wartung von Infrastruktur durch einen Monteur betrifft.
Die Interessensvielfalt stellt demnach häufig einen Interessenskonflikt dar, den am Ende das Infrastrukturunternehmen nur schwer lösen kann. Einerseits gilt es, in einem strukturierten Prozess das Wertegerüst aller Stakeholder einzusammeln, zu bewerten und in die operativen Unternehmensentscheidungen bzw. Instrumente zu übertragen und andererseits dieses Kunststück über den gesamten Lebenszyklus der Infrastruktur, also des Assets, hindurch zu bewältigen. Glücklicherweise gibt es bereits einen umfassenden Managementansatz, der genau dieses Ziel in der Infrastrukturbranche verfolgt, das „Value Based Asset Management“.
Das Value Based Asset Management: Reiner Geldwert?
Auch an dieser Stelle weckt die englische Bezeichnung falsche Assoziationen. Wert – Value – wird oft rein monetär verstanden, was jedoch in diesem Zusammenhang zu kurz gedacht ist. Zumindest, wenn mehrere Stakeholder und nicht nur reine Kapitalgeber existieren, wie es in der Infrastruktur eindeutig der Fall ist. Das bereits erläuterte Wertegerüst wird systematisch aus den unterschiedlichen Anforderungen bzw. Werten der Stakeholder abgeleitet, strukturiert und gewichtet. Ich spreche hier gerne von den vier „K‘s“ – Kunde, Kohle, Kollegen, Kosmos. Anhand dieser Aspekte ergibt sich eine Reibungsfläche für die beteiligten Stakeholder, deren unterschiedliche Anforderungen oftmals zu Zielkonflikten führen.
Solche Herausforderungen sind lösbar, wenn man die Methoden des Value Based Asset Management konsequent und übergeordnet nutzt: Das Wertegerüst muss demnach über Asset Owner, Asset Manager und Asset Service hinweg systematisch in die jeweiligen Unternehmensentscheidungen eingespeist werden. Das führt zu transparentem, zielgerichtetem Handeln von einheitlich angespornten, im Sinne des Unternehmens agierenden Entscheidern und operativen Mitarbeitern. Infrastrukturmanagement bedeutet, den wahren Bedarf der Infrastruktur zu ermitteln, die Umwelt dabei zu schützen und eine adäquate Qualität zu bestmöglichen Kosten sicherzustellen. Als Berater stehe ich seit 2011 Infrastruktureigentümern und -betreibern bei diesen Fragestellungen zur Seite mit dem Ziel, betriebliche Abläufe und Strukturen zu verbessern. Deshalb heißt mein Unternehmen meliorate (etw. verbessern, veredeln) – natürlich ein englischer Begriff, wie sollte es auch anders sein?!
Autor: Lars Overdiek