„Aber das haben wir doch schon immer so gemacht!“ Das habe ich kürzlich von einem Instandhaltungsstrategen gehört, als wir Konzepte zur Optimierung von Instandhaltungsaktivitäten diskutiert haben. Auch höre ich oft die folgende oder eine ähnliche Aussage: „Ich kenne die neuen Instandhaltungsideen. Aber ich weiß doch auch so, wie man meine Betriebsmittel gut instand hält. Das ist schließlich guter Menschen- und Ingenieurverstand“. Fair enough, aber kann man das wirklich immer so stehen lassen? Hier ein Überblick über die Instandhaltungskonzepte, die zurzeit durch die Branche geistern:
Langeweile als Ziel
Wenn nichts passiert, machen wir einen guten Job. Der beste Infrastrukturbetreiber ist unsichtbar. So könnte man die Zielstellung unserer Branche auf einen einfachen Nenner bringen. Den Einfluss einer guten Instandhaltungsstrategie kann man aber nicht unmittelbar messen. Die Zuverlässigkeit der Betriebsmittel hängt von vielen Faktoren ab. Gevatter Zufall ist auch mit an Bord und gibt sich Mühe den Statistikern das Leben schwer zu machen. Misst man im Stromnetz bspw. den SAIDI – also die UnterberechungsDAUER – spielt die Reaktionsgeschwindigkeit der Entstörung eine große Rolle. Und die hat nun mal nichts mit Instandhaltung zu tun.
Am Ende zählen aber nur zwei Faktoren. Erstens, was mache ich, damit es nicht knallt? Mit anderen Worten: wieviel lasse ich für den Instandhaltungsspaß an Budget springen. Und zweitens, was passiert wenn’s mal knallt? Wie groß sind die Auswirkungen und was will ich mir an Fehlverhalten leisten.
Instandhaltungsarten – der Mut zählt
Es gibt verschiedene Ansätze, die sich alle grundsätzlich darin unterscheiden wie viel Mut man bereit ist für sie aufzubringen. „Mut in der Infrastruktur? Herr Förster, Mut hat man auf der Achterbahn aber nicht in unserem Stromnetz!“ Ich kann die Kommentare schon hören.
Ob es nun der Laissez-Faire-Ansatz ist, bei dem man Betriebsmittel nur instand SETZT, aber nicht instand HÄLT. Oder ob man mit Algorithmen den zukünftigen Zustand prognostiziert, so dass Ausfälle ausgeschlossen werden sollen. Der Kreativität sind im Grunde keine Grenzen gesetzt. Aber genau das macht ja auch die Schwierigkeit und den Spaß aus, oder nicht? Es gibt nämlich nicht die perfekte Instandhaltungsstrategie, die für jedes Unternehmen oder jedes Betriebsmittel identisch ist. Kochbücher sind etwas für die Kochshow, aber nicht für die Instandhaltungsstrategie. Man muss die guten Zutaten immer neu kombinieren.
Ausfallorientiert – der MacGyver des Assetmanagements
Es gibt also einen Laissez-Faire-Ansatz, bei dem eigentlich nur auf Störungen reagiert wird und sonst nichts gemacht wird. Der Serienheld springt mit dem Fallschirm ab und bringt alles wieder in Ordnung.
Dass das alles etwas unkoordiniert anmutet und wenig planbar erscheint, liegt auf der Hand. Der Zustand des Netzes ist dem Infrastrukturbetreiber nicht bekannt. Die Fehlersuche kann da zu einer Nadel-im-Heuhaufen-Suche mutieren. Bei mehreren gleichzeitigen Störungen kann dies schon zu einem größeren Problem werden. Es ist daher klar, dass man das nicht für jedes x-beliebige Betriebsmittel macht. Besonders kleinteilige Massenware, bei der ein Ausfall oder eine längere Nichtverfügbarkeit nicht ins Gewicht fällt, bieten sich für eine solche Strategie an. Denken Sie hier an Ihren Küchenmixer. Da denken Sie auch nur an Reparatur, wenn er mal den Geist aufgibt. Und MacGyver zieht sich für den Küchenmixer auch nicht den Fallschirm an.
Zeitbasiert – der Derrick des Assetmanagements
Langweilig aber enorm effektiv – das ist die zeitbasierte Instandhaltung. Vielerorts wird oft eine ausfallorientierte Instandhaltung „Light“ in Form von regelmäßigen Instandhaltungsarbeiten in der Praxis angewandt. Das bedeutet letztlich nichts weiter, als dass Instandhaltungsmaßnahmen und gegebenenfalls auch Instandsetzungen (fast) immer an fest definierten Terminen stattfinden. Das kann man sich am besten an der Temperaturempfindlichkeit des Otto-Normalverbrauchers in unseren Breitengraden vorstellen. Das ganze Jahr über interessiert ihn die Heizung nicht, wenn sie jedoch an Weihnachten genau dann ausfällt, wenn die Schwiegereltern zu Besuch sind, ist der Frust groß. Damit genau das nicht passiert, werden Wartungsverträge mit dem Heizungsmonteur des Vertrauens abgeschlossen. Der kommt einmal im Jahr vorbei und wartet die Anlage. Fällt sie dann doch an Heiligabend aus, weiß man wenigstens, wer schuld ist.
Zustandsorientiert – Big Bang Theory im Assetmanagement
Letztlich weiß man bei beiden vorherigen Instandhaltungsstrategien jedoch nicht, wie es dem Betriebsmittel geht. Der Fachmann von Welt nennt das Zustand. Daher ergibt es durchaus manchmal Sinn, wenn man weiß, wann Handlungsbedarf auftritt. Ein Ausfall bzw. eine Nichtverfügbarkeit kann schließlich nicht immer bei jedem Betriebsmittel in Kauf genommen werden. Die Erhebung und regelmäßige Überwachung des Zustandes ist jedoch auch aufwändig, da Vor-Ort-Inspektionen oder in modernen Zeiten sogar mit Sensoren Ferndiagnosen angestellt werden müssen. Denken Sie hier an smarte Kühlschränke, die Ihnen sagen können ob die Milch abgelaufen ist oder jemand mal wieder die Tür offengelassen hat. Heute können das auch schon Betriebsmittel in der Infrastruktur: der Transformator teilt Ihnen mit, ob es ihm zu heiß ist oder er sich überlastet fühlt. Das erfordert ein bisschen Nachdenken und sehr viel Erfahrung. Nichtsdestotrotz bekommt Sheldon Cooper mit dieser Strategie gute Qualitätswerte bei kontrollierbaren Kosten hin.
Zuverlässigkeitsorientiert – jetzt wird’s spacig
Es lässt sich also nicht jede Instandhaltungsstrategie eins zu eins für jedes Betriebsmittel anwenden. Manche Betriebsmittel sind eben wichtiger als andere. Eine Nichtverfügbarkeit wirkt sich wesentlich stärker aus und kann im Extremfall zu einem Ausfall des Gesamtsystems oder zu hohen Folgekosten führen. Hier können Sie an Ihre Küche mit den vielen elektrischen Geräten denken. Der Ausfall des Kühlschranks mit verderblichen Lebensmitteln wirkt schwerer als der Ausfall eines Backofens. Dessen Reparatur ist bei einer Ressourcenknappheit wiederum einem Geschirrspüler vorzuziehen (oder nach Geschmack auch anders herum). Sie sehen, worauf ich hinaus will: Unter bestimmten Voraussetzungen können bestimmte Betriebsmittel hinsichtlich ihrer Wichtigkeit priorisiert werden. Und das ist auch gut so. In manchen Infrastrukturen ist die Abschätzung von Wichtigkeit aber noch umfangreicher als in der eigenen Küche.
Voraussagend – Madame Seraphinas Kristallkugel
In Zeiten, in denen der Computer klüger ist als Sheldon Cooper, kann Instandhaltung natürlich auch mathematisch betrachtet werden. Dafür muss man nicht unbedingt zu jeder Zeit den Zustand eines Betriebsmittels kennen. Man mag es ja kaum glauben, aber solche statistischen Verfahren funktionieren sogar besser als das Bauchgefühl so manchen erfahrenen Meisters. „Herr Förster, jetzt machen Sie aber mal einen Punkt! Nichts gegen unsere Monteure!“ Nein, nichts gegen die Meister und Monteure, die halte ich aufrichtig für das Rückgrat unserer Infrastruktur. Aber Mathe ist auch nicht schlecht.
Predictive Maintenance, wie dieser Ansatz bei denglischen Ingenieuren genannt wird, ist ein vielversprechender Trend in der Instandhaltung. Und er muss nicht nur in der Infrastruktur seinen Platz finden: vom intelligenten Herzschrittmacher über den mittelständischen Industriebetrieb bis zum Stadtwerk kann Predictive Maintenance seinen Einzug finden. Die Idee ist es viele Daten zu sammeln und viele Korrelationen zu rechnen. Damit sagt man den Betriebsmittelzustand präzise voraus. Man weiß zwar am Ende nicht, welche Korrelation die entscheidende war – muss man aber auch nicht. Alles rein in den Topf, irgendein Gewürz wird schon schmecken. Wir sind hier erst am Anfang, aber ich bin mir sicher, dass wir hier noch viel sehen werden.
Und das Ende vom Lied?
Es gibt viele verschiedene Instandhaltungsstrategien und somit viele verschiedene Möglichkeiten. Einige dieser Strategien werden im privaten Umfeld angewandt, ohne dass man es so richtig merkt. Das lässt sich natürlich auch auf die Infrastruktur übertragen. Nur weil man es schon immer so gemacht hat, heißt das ja noch lange nicht, dass man sich mit dem Status Quo zufriedengeben muss. Demnächst mehr an dieser Stelle, wie ich denn nun die richtige Instandhaltungsstrategie finde. Mit meinem Unternehmen meliorate stehe ich seit 2011 Infrastruktureigentümern und -betreibern bei diesen Fragestellungen zur Seite.