Geschichte der Infrastruktur: Sechs historische Fakten

Infrastruktur ist (fast) so alt wie die Menschheit selbst. Meine Großmutter erzählte mir von dem Tag, als die Elektrizität zu ihr kam. Heute brauche ich Energie und Wasser wie mein täglich Brot. Ich will mich und mein Amazon-Päckchen am liebsten in Lichtgeschwindigkeit bewegen und mit meinen Freunden auf anderen Kontinenten in Kontakt stehen, als wären wir Nachbarn.
Mir scheint, der Anspruch an unsere Infrastruktur wird mit jedem Tag der Menschheitsgeschichte größer. Immer moderner soll sie sein – und leistungsfähig wie nie zuvor. Bitte nichts kosten und dabei ökologisch unauffällig. Lärm, Licht und Abgase soll sie künftig nicht mehr abstrahlen. Und das Wichtigste: von Bau und Instandhaltung möchte ich nichts mitbekommen.Die Ansprüche an Infrastruktur waren immer hoch. Wie haben unsere Vorfahren auf den beschleunigten Wandel ihrer Zeit reagiert? Ein halbes Dutzend Infrastruktur-Fakten sollen Licht ins Dunkle bringen:

1. Der längste, jemals von Menschenhand gebaute Kanal ist noch immer in Betrieb – seit 2.400 Jahren

Chinas Kaiser Yangdi hatte sicher nicht das öffentliche Wohl im Kopf, als er den Kaiserkanal baute. Vielmehr wollte er seine Truppen schnell transportieren. Nichtsdestotrotz folgte auf den Kanal ein chinesisches Wirtschaftswunder, weil Lebensmittel und Konsumgüter über tausende von Kilometern transportiert werden konnten. Ohne die 1.800 km lange Wasserstraße wären auch die Holzlieferungen für die Erbauung der verbotenen Stadt nicht möglich gewesen. Es ist anzunehmen, dass Yangdis Facharbeiter nicht immer freiwillig und selten gut bezahlt arbeiteten. Darüber hinaus waren im altchinesischen Raumordnungsverfahren begründete Bürgereinsprüche nicht vorgesehen.

2. Das Römische Straßennetz war dichter als das amerikanische heutiger Zeit

Die Römer sind berühmt für ihren Straßenbau. Sie haben etwa 200.000 Kilometer durch ihr Reich gezogen. Das entspricht 24 Metern je Quadratkilometer. Die US-Amerikaner verfügen nur über 76.000 Autobahnkilometer und damit nur 8 Meter je Quadratkilometer. Sandalen schlagen also eindeutig die Cowboystiefel. Die Finanzierung der Straßen erfolgte durch Einkommen der örtlichen Bevölkerung – keine Maut, keine Kfz-Steuer. Außerdem war jeder männliche Bewohner verpflichtet, fünf Tage im Jahr Straßenausbesserungsarbeiten zu leisten. Ein Modell, von dem wir heute lernen könnten.

3. Die Übermittlung eines Zeichens über 600 Kilometer dauerte 1835 nur 7 Minuten

Der preußische Telegraf übermittelte über 62 Stationen Informationen von Berlin nach Koblenz oder umgekehrt – und das mittels optischer Signale. Das entspricht 1/25200 bit/s. Man stelle sich vor, wie lange ein Facebook-Post bei gleicher Geschwindigkeit benötigt. Eine iPhone-Akkuladung übersteht die Zeit sicher nicht. Es ist übrigens nicht, wie man vermuten könnte: Der preußische Telegraf wurde nicht nur für militärische Zwecke gebaut. Es wurden darüber hinaus auch Zeitansagen und Börsenkurse übermittelt. Wirtschaft ist eben auch manchmal wie Krieg.

4. 1990 wurde in Deutschland der Kampf zwischen Kerze und Glühbirne nach über 80 Jahren aufgegeben

Die armen Kerzengießer waren sicher keine glühenden Verehrer von Thomas Alva Edison. Mit dem Aufbau elektrischer Infrastruktur kamen sie mächtig unter Druck. Glühbirnen waren nicht nur fashioned, sondern auch praktisch. Wie auch in heutiger Zeit, handelte der deutsche Steuergesetzgeber bereits 1909 ganz im Sinne Benachteiligter, als er mit der Leuchtmittelsteuer Glühlampen und Glühkörper besteuerte.

Die Kerze als Hauptlichtquelle hat es dennoch nicht geschafft und der Rest ist Geschichte. 1990 wurde die Steuer schließlich abgeschafft. Infrastrukturausbau beschleunigt den Strukturwandel – auch dann, wenn der Staat sich in den wettbewerblichen Kugelhagel wirft. Nichtsdestotrotz hat OSRAM von München aus die Welt erhellt. Und auch heute beschleunigt der elektrische Infrastrukturausbau den grünen Strukturwandel.

5. Krokodile im New Yorker Untergrund sind nicht weiß

Nein, es gibt sie nicht. Wirklich nicht. Die Abwasserkanäle New Yorks – und auch andernorts – sind ziemlich frei von Albino-Krokodilen und Alligatoren. OK, in den 1930er hat man einen 2,25 Meter großen Alligator aus einem New Yorker Gully geholt, aber das war Zufall. Trotzdem hält sich der moderne Mythos von Krokodilen im Abwassersystem seit langem. Dieser ist aber sicher nicht der Grund, warum die meisten Kanalinspektionen nicht mehr durch Personen, sondern mit Hilfe von Robotern durchgeführt werden.

Doch trotz dieser modernen Wartung steht die New Yorker Kanalisation – wie auch die Wassersysteme vieler anderer Metropolen – vor dem Zusammenbruch und hat höchsten Erneuerungsbedarf. Die Instandhaltung von Frisch- und Abwassernetzen ist eine der größten und wichtigsten Herausforderungen in der Infrastruktur.

6. Seit 1866 sind die USA online

Am 28. Juli dieses Jahres wurde der Telegrafenverkehr zwischen den USA und Europa aufgenommen. Bill Gates und Mark Zuckerberg sind nur die zwingende Konsequenz. Die erste Telefonverbindung stand 1956. 36 Telefongespräche konnten parallel geführt werden.

Offensichtlich war die Geschäftsidee skalierbar. Heute gibt es im globalen Datenverkehr praktisch keine technischen Engpässe mehr. Trotz Satelliteneinsatz ist Kabelinfrastruktur auch heute unverzichtbar. Das TAT-14 ist als jüngstes Kabel im Jahr 2001 an den Start gegangen. Es ist bei 15.000 km Gesamtlänge 50 mm dick und hat eine Kapazität von 64 x 10 Gbit/s. Gekostet hat es lächerliche 1,3 Mrd. Dollar, ein Geschäft, das sich für die 50 beteiligten Telefongesellschaften deutlich gelohnt hat.

Innovationen in der Infrastruktur haben viel Wandel gebracht. Waren sie zunächst oft nur militärisch, dienen sie heute größtenteils dem Allgemeinwohl. Welchen Nutzen verfügbare Energie, sauberes Wasser und globale Kommunikation gebracht haben ist unbestritten. Wir werden uns viel mehr damit beschäftigen müssen, welche Anforderungen wir an Infrastruktur haben. Neudeutsch heißt das Stakeholderwerte und ist Ausgangspunkt des Asset-Managements. Mit meinem Unternehmen meliorate stehe ich seit 2011 Infrastruktureigentümern und -betreibern bei diesen Fragestellungen zur Seite.

Author: Oliver Förster

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