BLOG: Infrastruktur-Asset-Management
Infrastruktur – Du bist so selbstverständlich und langweilig geworden!
Infrastruktur ist uns piepegal
Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Wieviel Durchmesser Gasrohr möchte ich in meiner Straße bezahlen? Wie häufig im Jahr möchte ich meine Tiefkühlung nach einem Stromausfall neu programmieren? Und wieviel weniger Strompreis ist mir diese Unterbrechung wert? Was erwarte ich von meiner U-Bahn? Welche Qualität kann ich für ein 2,50-Euro-Ticket erwarten? Welche Subventionen bin ich in Form meiner Steuerbelastung bereit zu zahlen, um selbst den kleinsten Binnenhafen mit einem Containerterminal auszurüsten? Wer soll die Straße meines täglichen Arbeitsweges bezahlen? Und wieviel Euro ist es mir persönlich wert, weniger im Stau zu stehen?
Ohne Flughafen kein Amazon. Ohne Glasfaser kein Youtube. Ohne Hafen keine Banane und ohne U-Bahn kein Arbeitsweg. Infrastruktur bestimmt entscheidend unser Gemeinwesen und trotzdem ist sie uns … piepegal.
Wir müssen uns künftig mehr mit den Fragen beschäftigen, WAS kritische Infrastruktur ist und WIE diese zu managen ist. Warum?
- Infrastruktur steht für Freud und Leid: Sie bestimmt, wie wir heute und in Zukunft leben. Hierbei ist sie Freude, aber auch Leid – bspw. durch Lärm und Landschaftsverbrauch.
- Infrastruktur ist unglaublich teuer: Energie- und Wassernetze, Verkehrswege und -bauten sowie Telekommunikationsnetze verschlingen – je nach Schätzung – zwischen 35 und 50 Prozent der öffentlichen und privaten Mittel.
- Infrastruktur ist von gestern: Jede Region kämpft zurzeit mit großen Infrastrukturproblemen. Im Westen ist sie alt und marode. In sterbenden Industrieregionen ist sie überdimensioniert und in Wachstumsregionen kommt sie nicht hinterher. Im Osten gibt’s zu wenig Geld und noch weiter im Osten fehlen Arbeitskräfte und Ingenieurs-Knowhow. Durch lange Planungs-, Bau- oder auch Rückbauzeiten kann Infrastruktur nie aktuell sein.
Wenn es also nichts gibt, was uns mehr kostet, kaum etwas, was unseren Alltag in größerem Maße positiv oder negativ beeinflusst und darüber hinaus Infrastrukturentscheidungen kaum mehr zu revidieren sind – dann ist das Grund genug, auf unsere alte Liebe Infrastruktur ein Auge zu werfen.
Was ist denn nun Infrastruktur?
Infrastruktur setzt sich aus den lateinischen Vokabeln „infra“ (unterhalb, darunter) und „struktura“ (Zusammenfügung, Gefüge) zusammen. Darunter werden Einrichtungen verstanden, die erdverbunden sind. So weit so gut…
Erfunden hat den Begriff übrigens die NATO. Sie hat darunter alles verstanden, was man den anderen zuerst kaputt machen wollte, selbst aber besonders geschützt hat. Aber auch die Roten wussten, wo der Hase lang läuft. So wurden in der DDR bspw. manche Infrastrukturen (z. B. Wassernetze) nicht dokumentiert. Gemäß dem Motto: James Bond stiehlt die Pläne und sagt den Amerikanern, wie sie Karl-Marx-Stadt trocken legen können.
Heute wird der Begriff Infrastruktur unterschiedlich ausgelegt. Infrastrukturen sind Energie- und Wassernetze (Stromnetz, Wasserver- und entsorgung, Gasspeicher, etc.), Verkehrswege und -bauten (Radwege, Straßen, Schienen, Brücken, Tunnel, Häfen, etc.) sowie Kommunikationsnetze (Telefonleitung, Telekommunikationssatelliten, Glasfaserleitungen, etc.).
Wir führen Diskussionen entweder pauschal oder ablehnend
Infrastruktur ist also teuer und wichtig. Das aber war schon immer so und muss doch niemanden begeistern, oder? Wie nehmen die meisten Menschen Infrastruktur denn wahr? Entweder gleichgültig oder ablehnend. Mit Infrastrukturen werden selten Emotionen verbunden. Es gibt nur zwei Ausnahmen:
- Infrastrukturen können schön aussehen und somit als Sehenswürdigkeit fungieren, wie bei der Golden Gate Bridge oder einer Hafenrundfahrt in Hamburg.
- Infrastrukturen können Respekt einflößend sein, wenn man bspw. durch den Gotthard-Straßentunnel fahren muss oder sich ausmalt, was passieren würden, wenn die Drei-Schluchten-Talsperre bricht.
Tatsächliche Wahrnehmung findet jedoch erst dann statt, wenn Infrastruktur nicht funktioniert. Warum fahre ich an einer kilometerlangen Straßenbaustelle vorbei, ohne einen einzigen Arbeiter zu sehen? Mein Zug ist schon wieder zu spät. Wie bitte, in meiner neuen Wohnung gibt es kein Highspeed-Internet? Bleibt es bei mir auch kuschelig, wenn Gazprom den Hahn zudreht?
Wir lieben es zwar, leistungsfähige Infrastruktur zu nutzen, aber sobald sie in meinem trauten Heim projektiert wird und nicht bei meinem Nachbarn – wo es mich ehrlicherweise nicht kümmern würde – werden wir aufmerksam. Dieses „Not-in-my-backyard“-Problem tritt immer dann auf, wenn wir mehr wollen, aber den Preis dafür zu zahlen nicht bereit sind.
Wir führen Infrastruktur-Diskussionen entweder pauschal: Ich will mehr Straße, Bahnverbindung, Bandbreite oder grünen Strom und das ganze viel, viel billiger. Oder wir führen sie ablehnend: Ich will keinen unterirdischen Bahnhof, Tiefwasserhafen, Strommast im Gemüsegarten und schon gar keine Telekom-Baustelle auf meinem Weg zur Arbeit.
Wir müssen den wahren Bedarf an Infrastruktur ermitteln
Künftig müssen wir die Diskussion positiv führen. Was erwarten wir als Gemeinwesen von der Infrastruktur? Wo soll sie meinen Alltag erleichtern und an welchen Stellen kann ich auch auf sie verzichten? Was wollen wir für die Infrastruktur bezahlen und welche Qualität erwarten wir dafür?
Was ist eigentlich Infrastrukturqualität? Was wollen wir auf gar keinen Fall der Infrastruktur opfern?
Schließlich ist die Frage zu beantworten, wie wir unsere Infrastruktur gemanagt wissen wollen. Infrastrukturmanagement heißt, den wahren Bedarf an Infrastruktur zu ermitteln, die Umwelt dabei zu schützen und eine adäquate Qualität zu bestmöglichen Kosten sicherzustellen.
Mit meinem Unternehmen meliorate stehe ich seit 2011 Infrastruktureigentümern und -betreibern bei diesen Fragestellungen zur Seite.
WEITERE BLOGEINTRÄGE VON OLIVER D. FÖRSTER
Infrastruktur: Ist die Badewanne halb voll oder halb leer?
Instandhaltung? – Das haben wir doch schon immer so gemacht!
Geschichte der Infrastruktur: Sechs historische Fakten