Die globale Infrastrukturkrise

Interessiert sich denn heute keiner mehr für den Zustand des Unterbaus unserer Volkswirtschaft?  

Man kann von Donald Trump halten was man möchte, aber einen Punkt haben der amerikanische Präsident, und glücklicherweise noch weitere Staatschefs, wohl verstanden: wir müssen wieder mehr in unsere Infrastruktur investieren. Allerdings nicht nur als Mittel um neue Jobs zu generieren, sondern um ein größeres Problem zu lösen: große Teile der Welt leben von der Substanz ihrer Infrastruktur und laufen sehenden Auges in eine tickende Zeitbombe. Sie glauben mir nicht? Dann sind hier ein paar warnende Beispiele: Eine Studie der World Health Organisation geht davon aus, dass derzeit annähernd 660 Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Mehr als 1000 Eisen-bahnbrücken in Deutschland sind laut einer Datenerhebung der Partei Bündnis 90/ Die Grünen in einem maroden Zustand. 46 Prozent der Brücken an deutschen Bundes-fernstraßen haben einen kritischen Wert überstiegen. Wem diese Beispiele noch nicht reichen: das Institut der deutschen Wirtschaft spricht in einer Studie davon, dass die Verkehrsinfrastruktur dabei ist, sich von einem Standortvorteil zu einem Standortproblem zu entwickeln. Aber worin liegen die Ursachen für die globale Marodität?  

Der Ruhestand der Infrastruktur

Jede Infrastruktur ist immer auch mit einer gewissen Komplexität verbunden – und deren Krisen logischerweise auch. Infrastruktur bedeutet Unterbau und bildet das Rückgrat einer Volkswirtschaft. Doch dieses Fundament ist mürbe geworden. Straßen, Schienen- und Wasserwege sowie Energie- und Telekommunikationsnetze verkommen. Ein Grund dafür ist das Alter vieler Infrastrukturen. Viele Brücken in Deutschland wurden beispielsweise in der Nachkriegszeit oder davor gebaut. Fast die Hälfte der insgesamt 25.682 deutschen Eisenbahnbrücken ist älter als 80 Jahre und ihre Architekten haben gewiss nicht mit dem heutigen Verkehrsaufkommen gerechnet. Ebenso wenig wurde daran gedacht schon früher Vorsorge zu treffen – während immer fleißig neu gebaut wurde, hat man für Sanierungen und Instandhaltung kaum Mittel einkalkuliert. Doch es ist Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Politik, Wissenschaft und Wirtschaft sind sich einig, dass in Deutschland HEUTE mehr in den Erhalt der Infrastruktur investiert werden muss, damit MORGEN auch unsere Kinder und Enkel den Unterbau als Garant für Wohlstand nutzen können. Auch ist es nicht allein ein deutscher Trend. Um dem wachsenden Bedarf einer Modernisierung gerecht zu werden, planen Regierungen und Investoren weltweit verstärkt in Infrastrukturprojekte zu investieren. China will in den kommenden zehn Jahren $6.000 Mrd. investieren, Großbritannien $375 Mrd. bis 2030 und die USA $300 Mrd. in den nächsten vier Jahren. Doch sind diese Investitionen ausreichend oder muss sich auch unsere Einstellung zu Infrastruktur ändern? 

Die Erschaffer und Nutzer der Gegenwart

Unsere Infrastruktur steck im Dilemma der Lethargie fest. Immer wieder höre ich den Satz: „Ich zahle irgendeinen Preiss für irgendeine Qualität, die ich sowieso nicht beeinflussen kann.“ Leider besteht noch immer bei der Mehrheit der Nutzer von Infrastruktur kein tieferes Interesse an der Infrastruktur selbst. Der Unterbau, der unseren Alltag maßgeblich bestimmt, wird als gegeben und nicht beeinflussbar wahrgenommen. Und tatsächlich ist auch der „Preis“ für Infrastruktur, den jeder Bürger über Steuern bezahlt, insbesondere bezogen auf den indirekten Nutzen, sehr intransparent. Hinzukommt, dass im Fokus der Verbraucher von Infrastruktur ganz klar das „Produkt“ steht, was der Nutzer über die Nutzung der Infrastruktur erhält. Dabei wird jedoch vergessen, dass in vielen Bereichen die Qualität des „Produktes“ stark von der zugrundeliegenden Infrastruktur abhängig ist. Im letzten Wahlkampf wurde dies mit dem Breitbandausbau auch endlich mal ein Thema, was mehr Menschen zum Nachdenken angeregt haben dürfte. Trotzdem bleibt es in vielen Bereichen bei einer fehlenden Bewusstseinsbildung der Erschaffer und Nutzer von Infrastruktur.  

Das Kind der Zeit

Doch woher kommen eigentlich diese Gleichgültigkeit und das schlechte Image? Warum interessieren wir uns nicht viel mehr für das, was wir täglich völlig selbstverständlich nutzen? Besonders in Deutschland lässt sich dies mit der subjektiven Wahrnehmung von Infrastruktur begründen. Hierzu sind die meisten Emotionen und Empfindungen durchweg negativ: zu spät, zu teuer, nicht sauber, verstopft. Die Liste könnte noch beliebig erweitert werden. Verstärkt wird dieser Effekt noch durch die vielen Horrormeldungen zu Infrastrukturprojekten: der Bahnhof Stuttgart 21, die Rheintalbahn bei Rastatt, der Berliner Flughafen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Berichterstattung zu vielen Projekten teils polemisch übertrieben und, wie schon weiter oben beschrieben, sehr von Unwissenheit geprägt ist.

Wie werden Infrastrukturprojekte geplant? Und wie laufen sie überhaupt ab? Aufgrund der fehlenden Investition in die Infrastruktur und lange zurückliegenden Großprojekten kennen viele Bürger solche Projekte gar nicht mehr. Zudem glänzen einige Infrastrukturbetreiber durch mangelnde Professionalität und in der öffentlichen Wahrnehmung setzen sich nur die Negativbeispiele fest. Als Betreiber muss man gezielt auf sein Produkt und die Nutzenstiftung aufmerksam machen. Meist fehlt es auch an einer wirklichen Kundenorientierung. Aber wie soll dies auch gehen, wenn man die Anforderungen seiner Stakeholder überhaupt nicht kennt, geschweige denn proaktiv überwacht? Wie es besser geht zeigen die Holländer und Engländer. Dort ist man schon einen Schritt voraus und erfasst und überwacht die Bedürfnisse seiner Kunden und was sie bereit sind dafür zu zahlen. Ferner fehlt den Betreibern von Infrastruktur – ob nun kommunal oder privat – oftmals die „Bauherren-Kompetenz“. Aufgrund von mangelndem Fachwissen werden zu viele Tätigkeiten an eine Heerschar von operativen Dienstleistern abgegeben. So wackelt dann aber oft der Schwanz mit dem Hund, was zu Ineffizienzen, Fehlern und Verzögerungen führt.  

Ein Blick in die Zukunft

Es ist aber auch nicht alles schlecht – es gibt Erfolgsgeschichten und globale Vorbilder. Im Bereich Verkehrswege und -bauten ist hier der Nahverkehrsbetreiber MTR aus Hongkong zu nennen, der sich ausschließlich durch seine Ticketpreise finanzieren muss und tut (kosteneffizient) und dazu noch verschwindend niedrige Verspätungszeiten aufweist. Neben dem notwendigen Umdenken der Nutzer gibt es für Infrastrukturbetreiber Wege auf einen professionellen Pfad. Die Methoden des Value Based Asset Management führen zu transparentem, zielgerichtetem Handeln von einheitlich motivierten Entscheidern und operativen Mitarbeitern. Infrastrukturmanagement heißt den wahren Bedarf an Infrastruktur zu ermitteln, die Umwelt dabei zu schützen und eine adäquate Qualität zu bestmöglichen Kosten sicherzustellen. Mit meinem Unternehmen meliorate stehe ich seit 2011 Infrastruktureigen-tümern und -betreibern bei diesen Fragestellungen zur Seite.  

 

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